Apotheken verschwinden, Medikamente sind nicht lieferbar
Apothekenpreise gehören der Vergangenheit an, Apotheken kämpfen für Ihre Versorgung.
Auch 2024 setzt sich das Apothekensterben fort. Aktuelle Zahlen der ABDA bestätigen die Schließung von 283 Apotheken im ersten Halbjahr 2024.
Auch im Rheinisch Bergischen Kreis verschwinden immer mehr Apotheken von der Bildfläche. Die Schlangen in den verbliebenen Apotheken werden länger, die Wege weiter. Ein Widerspruch für die Allgemeinheit, denn lange Zeit war die Apothekendichte hoch und den Apotheken wurde ein florierendes Geschäft, hohe Gewinnspannen durch noch höhere „Apothekenpreise“ und ein nicht enden wollender Kundenzuwachs zugesprochen. Aktuell haben wir in Deutschland circa 13.000 Menschen, die eine so genannte Betriebserlaubnis für eine öffentliche Apotheke haben. Diese Betriebserlaubnis ist die Voraussetzung, um eine Apotheke zu betreiben. Ein Drittel dieser 13.000 Menschen ist im rentenfähigen Alter.
Über die Gründe für den Rückgang der Apotheken sind sich alle Betroffenen einig: Es lohnt sich wirtschaftlich nicht mehr, sich selbstständig zu machen. Schlechte Rahmenbedingungen, wie lange Arbeitszeiten, Nacht- und Notdienste und wenig finanzieller Anreiz sorgen dafür, dass sich immer weniger junge Menschen den Schritt in die Selbständigkeit wagen. Nachwuchs wird händeringend gesucht.
Apotheken müssen unzählige Auflagen erfüllen
Der bürokratische Aufwand, der den Apothekenalltag bestimmt, wird immer größer. „Die Regulierungen stammen aus dem 19. Jahrhundert und die Verbände, die dahinter stehen, sind mit dem Kopf auch noch dort“, findet Markus Kerckhoff.
Die Einhaltung dieser Auflagen und Regularien führen dazu, dass am Ende weniger Beratungszeit für die Kundinnen und Kunden übrigbleibt. Gleichzeitig müssen ständig Abläufe aufgrund von Neuregelungen umgestaltet werden. Der Fachkräftemangel, Lieferengpässe und die Sparmaßnahmen der Krankenkassen, führen dazu, dass Apotheken in Notlagen geraten. Dazu kommen Rabattverträge der Krankenkassen, die Kundinnen und Kunden vor erheblichen Zusatzkosten schützen sollen. So setzt die Gesundheitspolitik in Deutschland darauf, Arzneimittel immer billiger abzugeben. Bei den Apotheken bleibt kaum etwas hängen und viele Hersteller können es sich nicht mehr leisten, in Deutschland zu produzieren. Das führt zu einer Produktionsabwanderung ins Ausland und zu einer Abhängigkeit unserer Gesundheitsversorgung vom Ausland, zum Beispiel von China. „Spätestens in der Corona-Pandemie haben wir gemerkt, was das für unser Gesundheitssystem bedeutet. Aber die Verantwortlichen lernen aus solchen Situationen einfach nicht“, so Kerckhoff.
Es tut uns leid, ihr Medikament ist momentan nicht lieferbar …
Ein ernüchternder Satz, wenn man sich in Sicherheit des deutschen Gesundheitssystems wähnt. Eine logische Folge der Abwanderung der pharmazeutischen Industrie und den Sparmaßnahmen der Gesundheitspolitik. Es sinkt die Zahl der Anbieter und damit einhergehend die Versorgungsbreite. Für Apotheken lohnt es sich selten, Arzneimittel selbst herzustellen, da die Produktionskosten höher sind als der Ertrag.
Am Ende gibt es für ein Arzneimittel nur noch wenige oder keine Hersteller mehr und die Versorgung bricht zusammen. Das ist im letzten Herbst am Beispiel der Kinderarzneimittel (Antibiotika und Schmerzmittel) zu beobachten gewesen. Die Hersteller können nicht mehr kostendeckend produzieren und stellen die Versorgung ein. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sieht dagegen keine Hinweise auf eine generelle akute Verschlechterung der Versorgungslage in Deutschland. Im Widerspruch dazu wird die Liste der „nicht-lieferbaren Medikamente“ täglich länger. 40 bis 50 Wirkstoffe stehen im Schnitt gar nicht zur Verfügung. Dabei handelt es sich zum Beispiel um Antibiotika, Schmerzmittel, Epilepsie- oder Krebsmedikamente. Für viele knappe Medikamente gibt es alternative Wirkstoffe. Diese zu finden obliegt den behandelnden Ärztinnen und Ärzten oder den Apotheken.
Die Mär der Apothekenpreise
Die Zeiten, in denen Apotheken ihre Verkaufspreise selbst festlegen konnten, sind längst vorbei. Die Preise von Medikamenten machen die Apotheken nicht selbst. Verschreibungspflichtige Arzneimittel haben einen einheitlichen Preis, kosten also in jeder Apotheke in Deutschland gleich viel. Diese Preise legt die Arzneimittelpreisverordnung fest.
Bei Kassenpatienten setzte sich der Preis wie folgt zusammen:
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- drei Prozent des Apothekeneinkaufspreises
- plus 8,35 Euro Apothekenhonorar (immer 8,35 Euro je Medikament, unabhängig vom Ladenpreis)
- minus zwei Euro Apothekenabschlag (den müssen die Apotheken pro Medikamentenpackung an die Krankenkassen zahlen).
Ergo kann und darf die öffentliche Apotheke ihre wirtschaftliche Situation nicht wie andere Unternehmen durch Preiserhöhungen verbessern. Im Gegensatz zu anderen Industrien z.B. der Lebensmittelbranche, wo wir eine inflationäre Preiserhöhung um ca. 25% in den letzten Jahren beobachten konnten, ist das Festlegen von „Apothekenpreisen“ nicht möglich.
Eine Anhebung der Spanne, die für die Apotheken am Ende übrigbleibt, wird von den Apothekerverbänden seit Jahren gefordert. Trotz aller Proteste ist eine Erhöhung des Apothekerhonorars seit nunmehr 10 Jahren ausgeblieben.
Die Quelle unserer Medikamente, die pharmazeutischen Hersteller
Pharmazeutische Hersteller sind einteilbar in „Erfinder“, „Nachahmer“ und „Importeure“.
„Erfinder“ sind Hersteller, die neue Wirkstoffe entwickeln (Bayer, Pfizer, usw.). Neue Arzneimittel sind in der Regel hochpreisig. Diese Arzneimittel haben einen deutlich geringeren Rohertrag für die Apotheken bei einem gleichzeitig hohen Retaxationsrisiko*.
Die Tabelle aus der Arzneimittelpreisspannenverordnung verdeutlicht die Verhältnisse. Je „hochpreisiger“ das Arzneimittel, je geringer der Rohertrag der öffentlichen Apotheke.
ApU (Abgabepreis pharmazeutischer Unternehmen) | Apothekenverkaufspreis inklusive 19% Mehrwertsteuer | Rohertrag der öffentlichen Apotheke | Rohertrag der öffentlichen Apotheke in % des Apothekenverkaufspreises |
10 Euro | 20,11 Euro | 9,09 Euro | 45,2% |
100 Euro | 115,73 Euro | 11,88 Euro | 10,27% |
1.000 Euro | 1.071,93 Euro | 39,73 Euro | 3,7% |
2.000 Euro | 2.108,42 Euro | 69,92 Euro | 3,32% |
10.000 Euro | 10.348,42 Euro | 309,92 Euro | 2,99% |
„Nachahmer“ sind Hersteller wie zum Beispiel ratiopharm oder Hexal Stada, die Arzneimittel nach Ablauf des Patentschutzes der „Erfinder“ vornehmlich in China und Indien produzieren lassen und als sogenannte Generika in Verkehr bringen. Diese Hersteller sind verantwortlich für die weitaus größte Anzahl der im Handel befindlichen Arzneimittel.
„Importeure“ sind Hersteller, die die Preisunterschiede für Arzneimittel in unterschiedlichen europäischen Ländern nutzen (zum Beispiel kohlpharma, Eurimpharm).
Öffentliche Apotheken sind gesetzlich verpflichtet pro Krankenkasse und Quartal eine Importquote von 5% zu erfüllen (§129 Absatz 2 SGB V). Lesen Sie dazu auch unseren letzten Artikel über die Importquote.
Hersteller schließen ihre eigenen Rabattverträge mit den Krankenkassen ab. Bedeutet, je nach Krankenkasse werden den Patientinnen nur Produkte gewisser Hersteller angeboten. Daran müssen sich die Apotheken halten, ansonsten drohen ihnen Retaxierungen seitens der Abrechnungsinstitute.
Was bedeutet das Retaxationsrisiko* für die öffentlichen Apotheken
Retaxierungen stellen für Apotheken ein wirtschaftlich nicht kalkulierbares Risiko dar. Retaxierung bedeutet, dass die Krankenkasse die Zuschläge oder Erstattung eines durch die Apotheke bereits abgegebenes Arzneimittel verweigert. Fehlende Arztunterschriften, das nicht Beachten von Rabattverträgen und Fristeinhaltungen oder Verstöße gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot (§129 SGB V) zählen zu den häufigsten Gründen für Retaxierungen.
Ein Beispiel aus dem Apothekenalltag verdeutlicht die Problematik:
In diesem Fall handelt es sich um einen Patienten, der in palliativer Betreuung in wiederkehrender Regelmäßigkeit stets die gleiche ärztliche Verordnung verschrieben bekommen hat. Es ist somit davon auszugehen, dass die Verordnung dem Willen des Arztes entsprach, auch wenn dieser einmalig versäumte, das Rezept abzuzeichnen.
Selbstverständlich wurden die Arzneimittel durch die Apotheke bestellt, bezahlt, dem Patienten übergeben und dort auch verabreicht. Nun retaxiert die abrechnende Krankenkasse eine Differenz aufgrund einer fehlenden Arztunterschrift in Höhe von 4.388,94 EUR. Begründung: Die Arztunterschrift fehlt.
Die Rezeptkontrolle obliegt den Apotheken und ist an eine Vielzahl von Formalitäten und Abläufen geknüpft, die meist händisch durch die Apothekerin oder den Apotheker erfolgt. Im Rahmen der Rezeptkontrolle innerhalb der Apotheke hätte das Fehlen der Arztunterschrift auffallen müssen.
Hält man nun allerdings den belegbaren Versorgungszyklus des Patienten, die einmalig fehlende Arztunterschrift und den Betrag, den die Apotheke nun selbständig zu tragen hat gegenüber, kann man die Verhältnismäßigkeit des Fehlers in der Rezeptkontrolle in Frage stellen.
In der Historie wurden diesbezüglich bereits vereinzelt gerichtliche Erfolge erzielt. Das ist jedoch davon abhängig, inwieweit die Apotheke bereit und in der Lage ist, einen Rechtstreit durchzuführen. Für Apotheken kann diese Praxis ein existenzbedrohendes Risiko darstellen.
Die Sparmaßnahmen im Gesundheitssystem wirken sich auf die Versorgung der Bevölkerung aus. Das System der öffentlichen Apotheke und der damit verbundenen qualitativen Beratung in sämtlichen die Gesundheit betreffenden Fragen steht zur Disposition. Je mehr öffentliche Apotheken schließen, desto weiter werden die Wege, desto länger dauert die Versorgung mit Arzneimitteln und desto weniger niederschwelligen Zugang zu fachkundigem Rat gibt es, denn in Fragen von Nicht-Lieferbarkeit und zusätzlichen Ratschlägen wird auch die Online-Apotheke in naher Zukunft keinen Rat wissen.
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